»Meine Eltern wurden aus Jugoslawien vertrieben und wir sind froh, dass wir so eine schöne Wohnstube besitzen«, schreibt Kurt Palm 1964 in sein Schulheft. Seine Mutter musste 1943 auf
einem Pferdewagen aus Kroatien fliehen; sein Vater wurde als 18-Jähriger vom Schweinestall an die Front geschickt, um in einer deutschen Uniform gegen Partisanen in Slowenien und Frankreich zu kämpfen.
Kurt Palm schreibt in Trockenes Feld (Leykam 2024) zum ersten Mal über seine Familiengeschichte. Welche Zufälle bestimmen unsere Herkunft und unsere Geschichten? Und welche Traumata sind uns und unseren Leben eingeschrieben?
Kurt Palm „schreibt Bücher, dreht Filme und fängt Fische“, wie er selbst sagt: Nach seinem Studium der Germanistik und Publizistik machte er sich vor allem einen Namen als Theatermacher und Regisseur, unter anderem mit Phettbergs Nette Leit Show; für seine literarischen Arbeiten wurde er u.a. mit dem FriedrichGlauser- und dem Leo-Perutz-Preis ausgezeichnet.
Moderation: Maria Piok
Reinhard Kaiser-Mühlecker und Barbara Aschenwald: Das sind zwei Autor:innen, zwei Freunde, zwei, die das Schreiben und ein besonderer Bezug zum Boden verbindet: Reinhard Kaiser-Mühlecker, mittlerweile ein österreichischer Bestseller-Autor, betreibt eine Landwirtschaft in Oberösterreich, studierte Landwirtschaft, Geschichte und internationale Entwicklung in Wien, wird in zahlreiche Sprachen übersetzt, ist vielfach ausgezeichnet und geprägt von seinen Auslandsaufenthalten in u.a. Bolivien und Argentinien. Barbara Aschenwald ist Schriftstellerin, landwirtschaftliche Facharbeiterin und im Brotberuf Krankenpflegerin. Beide ziehen Gemüse und Getreide, füttern Hühner und Schweine und schreiben Bücher und Theaterstücke, graben Kartoffeln aus dem Boden und ziehen Sätze aus den Wolken.
Die beiden Autor:innen treten in einen Dialog über den Boden, auf dem wir stehen und über die Sätze, die wir finden, über das, was wir essen und über Kaiser-Mühleckers bislang radikalsten und intensivsten Roman Brennende Felder (S. Fischer 2024), in dem familiäre Bande und strukturelle Probleme von Ländlichkeit und Landwirtschaft thematisiert werden.
Drei Neuerscheinungen und ihre Leser:innen: Die literarische Soiree bietet Tipps und Einschätzungen, Stimmen und Gegenstimmen, ein an- und aufregendes Gespräch über Literatur! Im Literaturhaus am Inn können Sie bei der Aufzeichnung der Sendung live mit dabei sein. Unter der Moderation von Ö1-Kulturredakteur Günter Kaindlstorfer diskutieren Maria Piok (Literaturhaus am Inn), Brigitte Rath (Institut für Vergleichende Literaturwissenschaft der Univ. Innsbruck) und Martin Sailer (ORF Tirol) über Neuerscheinungen aus dem Jahr 2024:
Die Publikation Office Ukraine. Two Years of Support for Ukrainian Artists beleuchtet die umfangreiche Arbeit der 2022 als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegründeten Plattform und stellt die zahlreichen Kooperationen mit Künstler:innen und Institutionen in ganz Österreich vor. Im Anschluss an die Buchvorstellung durch Anastasiia Diachenko (Office Ukraine), diskutieren Kseniya Kharchenko und Oleksandra Terentyeva über den gegenwärtigen Literaturbetrieb in der Ukraine, die Aktivitäten von Mitgliedern der ukrainischen Literaturszene in der Diaspora sowie über die Bedeutung internationaler Kooperationen.
Kseniya Kharchenko ist Autorin, Redakteurin, Übersetzerin und Kulturarbeiterin. Sie ist Projektmanagerin des Documenting Ukraine Programms am IWM, Wien.
Oleksandra Terentyeva ist Politikwissenschaftlerin (Univ. Innsbruck) und Initiatorin des Community- & Literaturzentrums Hnizdo Innsbruck.
Moderation: Veronika Riedl und Andrei Siclodi (Office Ukraine)
Von Leipzig bis Belgrad, von der DDR bis zur Volksrepublik Jugoslawien, vom Leinwandspektakel bis zum Abenteuerroman. Schonungslos und rasant erzählt der Roman Die Projektoren (S. Fischer 2024) von unserer an der Vergangenheit zerschellenden Gegenwart – und von unvergleichlichen Figuren: Im Velebit-Gebirge erlebt ein ehemaliger Partisan die abenteuerlichen Dreharbeiten der Winnetou-Filme. Jahrzehnte später finden an genau diesen Orten die brutalen Kämpfe der Jugoslawienkriege statt – mittendrin eine Gruppe junger Rechtsradikaler aus Dortmund, die die Sinnlosigkeit ihrer Ideologie erleben muss. Und in Leipzig werden bei einer Konferenz in einer psychiatrischen Klinik die Texte eines ehemaligen Patienten diskutiert: Wie gelang es ihm, spurlos zu verschwinden? Konnte er die Zukunft voraussagen? Und was verbindet ihn mit dem Weltreisenden Dr. May, der einst ebenfalls Patient der Klinik war?
Clemens Meyer, geboren 1977, lebt in Leipzig. Für sein Werk erhielt Clemens Meyer zahlreiche Preise, darunter 2008 mit Die Nacht, die Lichter den Preis der Leipziger Buchmesse.
Moderation: Gregor Ohlerich
Boomer, Generation X, Millennials, Zoomer: Die eine Generation lebte, um zu arbeiten, die nächste arbeitete, um zu leben, und die übernächste balanciert zwischen work & life – jede Generation scheint ihre Kategorien und Eigenheiten zu haben. Doch wie entsteht eigentlich das Bild einer Generation und sind derartige Zuschreibungen überhaupt zutreffend? Warum blickt die eine Generation häufig mit Skepsis auf die nächste? Theresia Töglhofer schreibt in ihrem Debütroman Tatendrang (Residenz 2024) über eine Welt, die jungen Menschen einerseits Chancen und Möglichkeiten eröffnet und andererseits kaum Platz für Zweifel und Zögern einräumt. Mit der Autorin diskutiert die pädagogische Anthropologin Diana Lohwasser vom Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Innsbruck.
Moderation: Markus Köhle
In Kooperation mit Wissenschaft und Verantwortlichkeit.
Mit der Reihe Limbus Lyrik widmet sich der Innsbrucker Kleinverlag seit einigen Jahren konsequent der zeitgenössischen Lyrik und zeigt damit einmal mehr auf, wie vielfältig der poetische Blick auf die Welt sein kann. Mit ihrem Band Lauergrenze, Mensch! (Limbus 2024) führt Petra Ganglbauer mitten hinein in das Zeitalter des Menschen, das aus Kriegen, Tierleid und Klimawandel besteht. Was bringt die Zukunft? Darüber poetisiert Jörg Piringer in fünf minuten in die zukunft (Limbus 2024) und verschmilzt in seiner visuellen Poesie digitale und analoge Welt. Der Herausgeber dieser bibliophilen Lyrikbände ist Erwin Uhrmann, der, umringt von „seinen“ Lyriker:innen seinen Roman Zeitalter ohne Bedürfnisse (Limbus 2024) präsentieren wird, der von der (Un)möglichkeit von Menschlichkeit und Zusammenleben im Zeitalter von Ressourcenknappheit handelt.
Durch den Abend führt Siljarosa Schletterer, die selbst in der Limbus Lyrikreihe publiziert, zuletzt azur ton nähe (2022).
Wo die Stadt aufhört und die Vorstadt anfängt, ist in Paris klar markiert durch den Périphérique, den zu überschreiten Anne Webers Erzählerin bisher kaum in den Sinn gekommen ist. Denn was gibt es dort, in den Banlieues, außer einem Geflecht aus Schienen, Schnellstraßen und Autobahnen, zwischen denen Lagerhallen, gewaltige Supermärkte und Baustellen und Millionen von Menschen eingeklemmt sind? Als ihr alter Freund Thierry ihr jedoch vorschlägt, ihn für einen Film durch die Vorstädte zu begleiten, die vor den Olympischen Spielen 2024 einem tiefgreifenden Wandel unterzogen werden, muss sie sich eingestehen, dass sie für die nächste Nähe jahrzehntelang blind gewesen ist. Mit großer Beobachtungsgabe öffnet sich Anne Weber in Bannmeilen (Matthes & Seitz 2024) dem Unvertrauten und Anderen mitten unter uns.
Anne Weber, 1964 in Offenbach geboren, lebt als freie Autorin und Übersetzerin in Paris. Zahlreiche Auszeichnungen und Preise, ihr Buch Annette, ein Heldinnenepos (Matthes & Seitz) wurde mit dem Deutschen Buchpreis 2020 ausgezeichnet.
Moderation: Doris Eibl
Rut Bernardi stößt immer wieder an die Grenzen des Verständnisses, da sie in ihrer Muttersprache Ladinisch schreibt. So kam sie zu den Sprachspielen und der musikalischen Umsetzung des ladinischen Sounds. Das Ladinische ist eine romanische Sprache, die sich mit ihren Vokalen für Sprachspiele besonders eignet. Der Klang weckt die Aufmerksamkeit des Publikums, ist aber nicht nur als bloße Spielerei zu verstehen, denn die Gedichte wurden durchaus als kritische Stellungnahme konzipiert. Dem Publikum werden sie darum auch in Übersetzungen nähergebracht.
Bei Eseleptitun (bestehend aus den Musikern Georg Maria Lang, Jürgen Winkler, Manny Pardeller) entstehen vor dem geistigen Auge sonore Landschaften, welche die Zuhörer:innen auch in verborgenere Gefilde des Seins führen können. Bereits der in einem Traum entstandene Name des Ensembles lässt Unkonventionelles erahnen.
Rut Bernardi, geboren in Gröden, studierte Romanistik in Innsbruck; sie arbeitet als Lehrbeauftragte, Redakteurin, Journalistin und Schriftstellerin und wurde bereits mehrfach mit Preisen und Stipendien bedacht.
Dieses Mal zum Grenzgänge-Gespräch geladen: eine Autorin und ein Autor, die sich zwischen dem Schreiben von Gedichten und Geschichten hin und her bewegen. Evelyn Schlags aktueller Gedichtband ins weiße meer der schrift (Hollitzer 2024) erzählt u.a. von Krieg und der Ungeheuerlichkeit des Tötens und Auslöschens. Mit seinem dreiteiligen Projekt Logbuch der Gegenwart (Haymon 2016–2024) machte sich der Lyriker und Romancier Aleš Šteger an unterschiedlichen Orten (und Unorten) auf der ganzen Welt auf die Suche nach Worten und Geschichten. Grenzwandelnd wird im Gespräch den Geschichten in den Gedichten und der Wirkung poetischer Sprache nachgegangen.
Evelyn Schlag lebt in Waidhofen an der Ybbs, schreibt Erzählungen, Romane und Lyrik.
Aleš Šteger lebt als Dichter, Schriftsteller und Verleger in Ljubljana.
In Kooperation mit 8ung Kultur.
Moderation: Klaus Zeyringer