Dilek Güngör: „Vater und ich“

Dilek Güngör – Vater und ich

Dilek Güngör: „Vater und ich“

Dilek Güngör – Vater und ich

Für ein verlängertes Wochenende fährt Ipek zu ihrem Vater. Sie lebt eigentlich in Berlin, arbeitet dort als Journalistin. Doch als ihre Mutter zu einem Wellnessurlaub mit ihren Freundinnen aufbricht, beschließt sie, einige Tage mit ihrem Vater zu verbringen. Sie erinnert sich an und sehnt sich nach der engen Bindung, die es einst zwischen ihnen beiden gab und die sich schleichend löste. „Zwischen uns herrscht eine Wortlosigkeit, dass mir eng wird in der Brust.“ Wie eine unsichtbare Mauer steht Unausgesprochenes, stehen Missverständnisse und Verletzungen zwischen ihnen. Diese Sprachlosigkeit hat viele Gründe.

Die Eltern, einst der Perspektivlosigkeit in der Türkei entflohen, haben sich in Deutschland als Näherin und Polsterer ein bescheidenes Leben aufgebaut. Ipek lernt früh, mit Zurückweisungen und Beleidigungen im Umfeld umzugehen. „Geschwiegen haben wir und weggehört, die anderen haben geredet. Meinten wir, unser Schweigen könnte uns beschützen, das Böse würde einfach an uns abprallen, wenn wir nur den Mund geschlossen hielten?“

Ipek schafft es aufs Gymnasium, lässt ihr Milieu und die Sprache ihrer Eltern hinter sich, studiert, wird Journalistin – und entfernt sich immer mehr von ihrem Vater. Das verlängerte Wochenende, so hofft sie, könnte sie einander wieder näherbringen. Doch es ist ein schwieriges Unterfangen. „Überall fehlen mir die Worte, in deiner Sprache, in meiner Sprache und mit dir sowieso.” Nur im gemeinsamen Tun finden Ipek und ihr Vater einen gemeinsamen Rhythmus, eine Vertrautheit jenseits der Worte. 

Die Erzählerin spürt der Entfremdung mit großer Offenheit nach, findet eine schnörkellose, geradlinige Sprache für die Sprachlosigkeit zwischen den beiden. Ein schmales, aber ungeheuer gehaltvolles Buch um die Fragen nach Identität, Heimat und Herkunft – nominiert für den Deutschen Buchpreis 2021. 

Dilek Güngör: Vater und ich. Roman. Verbrecher Verlag 2021

Tipp von Susanne Gurschler

Literaturhaus am Inn – Lieben, Sprechen, Fühlen, Genießen
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6020 Innsbruck

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