Zu seinem 80. Geburtstag sammelt Bodo Hell in Begabte Bäume (Droschl 2023) Vielfältiges, Kurioses und Wissenswertes rund um die begabten Bäume auf wie Herbstlaub. Vom Ahorn bis zur Zirbe gibt er breit gefächert Botanisches, Historisches, Kulturgeschichtliches, Mystisches und Mythologisches, Trivia, Erstaunliches, Listiges und Listen zum Besten und führt uns in den enthaltenen Itineraren durch Österreichs Vergangenheit und Gegenwart.
Durch den Abend führt Bodo Hells Verlagskollegin, die Autorin Carolina Schutti.
Präsentation: Carolina Schutti
Gibt es in der Literatur so etwas wie ein „Wir-Gefühl“? Inwiefern spielen „österreichische“ (Traditions-)Linien (noch) eine Rolle für die Schreibenden und ihre Arbeit?
Im Rahmen eines Gemeinschaftsprojekts zum Gastlandauftritt Österreichs bei der Leipziger Buchmesse 2023 haben das Literaturhaus am Inn und die Wiener Österreichische Gesellschaft für Literatur Autor*innen eingeladen, sich schreibend mit möglichen Verbindungen zwischen literarischen Texten und Herkunfts-, Schreib- oder Publikationsorten auseinanderzusetzen.
Präsentation: Gabriele Wild
Wir. Inklusiv. Exklusiv. — mitSprache (mit-sprache.net)
Die von dem Südtiroler Künstler*innenkollektiv Lungomare initiierte Kampagne „#etwaslaeuftfalsch“ sorgte europaweit für Aufsehen – zuletzt auch in Tirol mit provokanten, von Stefanie Sargnagel gestalteten Plakaten und Sprüchen. Ziel der Kampagne ist es, Hintergründe von Gewalt gegen Frauen zu reflektieren: Mit welchen Rollenzuschreibungen haben wir es hier zu tun? Welche gesellschaftlichen und politischen Dynamiken bereiten geschlechterspezifischer Gewalt den Boden? Wie lassen sich Femizide verhindern? Und wie kann Kunst und Literatur Gewalt an Frauen bekämpfen?
Es diskutieren die Autorin Lydia Haider und die Gender-Forscherin (u.a.) Judith Goetz, die mit Du, Herbert (Haymon 2023) eine literarische und wissenschaftliche Auseinandersetzung über Gewalt von Männer verfassten; außerdem die Wissenschaftlerin, Autorin, Aktivistin und Frauennetzwerkgründerin Barbara Plagg, die in ihrem Theaterstück 72 Stunden – Eine Anklage das gesamtgesellschaftliche Versagen hinter Femizide in den Blick nimmt.
Präsentation: Maria Piok
New Jersey, 18. April 1955: Albert Einstein stirbt im Princeton Hospital – und der obduzierende Pathologe entfernt ohne Erlaubnis das Hirn, um es bis an sein Lebensende zu behalten. Das seltsame Souvenir nimmt er 42 Jahre lang mit quer durch Amerika: ein wildes Amerika zwischen Präsidentschaftswahl und Mondlandung, Woodstock, Watergate und Vietnamkrieg. Das Vermächtnis im Einweckglas aber entwickelt mehr und mehr ein Eigenleben: Einsteins Hirn stellt Fragen und Forderungen und erlebt den traurigen Niedergang des Protagonisten. Franzobel hat genau recherchiert, um Verbürgtes weiterzuspinnen: präzise und rastlos, absurd und tragisch-komisch erzählt er von den Rolling Sixties und der zerstörerischen Suche nach Erkenntnis.
Franzobel, 1967 in Vöcklabruck geboren, ausgezeichnet unter anderem mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis 1995 und dem Arthur-Schnitzler-Preis 2002, Sprachvirtuose und ein Schriftsteller, der immer wieder wahre Geschichten neu erfindet.
Präsentation: Maria Piok
Ein Dorf in den späten 1980er Jahren, hier beginnt alles in Meeresbrise (Droschl 2023): Zwei Töchter wachsen ohne Väter auf. Die Mutter der beiden stockt das Sozialgeld mit Telefonsex und dem Verkauf von Secondhand-Sachen auf. Mit Märchen, Lügen und geschickter Manipulation versucht die Mutter, ihre „Prinzessinnen“ von der Außenwelt abzuschirmen und an sich zu binden. Die gruselig-märchenhafte Isolation der Mädchen, die sich teils biestig durch den Alltag schlagen, bekommt Risse, als die Ältere der beiden die Kraft der Neugierde entdeckt und zu ahnen beginnt, dass die Welt mehr für sie bereithält als nur dieses kleine, mühsam zusammengeflickte Leben.
Carolina Schutti, geboren 1976, lebt in Innsbruck. Studium der Germanistik, Anglistik und Amerikanistik, Konzertgitarre und Gesang, interdisziplinäre Projekte, Hörspiele und Publikationen in allen literarischen Genres. Zuletzt erschien Der Himmel ist ein kleiner Kreis (Droschl 2021).
Präsentation: Gabriele Wild
Der 8. März ist der Weltfrauentag: Wir feiern die (uns) Frauen, ihre (unsere) Leistungen, weisen aber auch auf anhaltende Probleme und Diskriminierungen hin. Der 8. März ist aber auch ein Tag, um über den Zustand des Feminismus nachzudenken – und schnell wird klar, dass es den Feminismus nie gab. Aktuell scheint der Feminismus jedoch noch stärker zu zersplittern: Gertraud Klemms Roman Einzeller (Kremayr & Scheriau 2023) ist in dieser Hinsicht das Buch der Stunde. Sie versammelt dort fünf Frauen aus verschiedenen Generationen, mit verschiedenen Ansichten über den Feminismus und seine Praktiken. Mit Veronika Schuchter spricht Gertraud Klemm über unterschiedliche Vorstellungen, die Fallstricke der Identitätspolitik und die Notwendigkeit zur Solidarität.
Gertraud Klemm, geboren 1971 in Wien, lebt als Autorin in Niederösterreich. Zuletzt erschien ihr Roman Hippocampus (Kremayr & Scheriau 2019). 2020 wurde ihr der Outstanding Artist Award für Literatur verliehen, 2021 der Ernst-Toller-Preis.
Präsentation: Veronika Schuchter
Ada spürt früh, dass ihr Platz im Leben auf äußerst wackligem Untergrund steht. Was bei anderen funktioniert, gilt für sie nicht; was in Kinderbüchern über „Vater, Mutter, Kind“ steht, ist ihr fremd. In Die Korrektur des Horizonts (Otto Müller, 2022) beschreibt Minu Ghedina ein sensibles Mädchen, das sich eine eigene Bilderwelt aufbaut und sich in die Schönheit rettet, die ihr als einzige Möglichkeit erscheint, den Irritationen von außen etwas entgegenzuhalten. Wie in einem Tarnkleid tastet sie sich durch die Kindheit und muss immer wieder ihre Welt korrigieren. Später wird sie eine erfolgreiche Kostümbildnerin, erlebt aber auch Tiefschläge, lernt die falschen Männer kennen und kämpft sich aus ihrer schmerzhaften, verworrenen Geschichte. Als sie am 11. September nach Hause kommt, stürzt auch ihre Welt zusammen, „hier und dort und innen und außen“. Erneut verschiebt sich der Horizont und bedarf einer Korrektur.
Im neuen Roman der aktuellen Ingeborg-Bachmannpreisträgerin Ana Marwan Verpuppt (übersetzt von Klaus Detlef Olof, Otto Müller Verlag, 2023) findet sich Rita in der Welt nicht zurecht. Das Leben betrachtet sie als eine reine Aneinanderreihung von Spielchen; je nach Situation wird diese oder jene Version der eigenen Person zur Schau gestellt und vor sich hergetragen. Um das Chaos ihrer Welt zu bändigen, schreibt sie Geschichten, gestaltet Wahrheiten, erfindet sich Gefährten wie Ivo Jež, der – wie sie – im Ministerium tätig ist, Abteilung Raumfahrt. Oder handelt es sich um eine andere Art von Einrichtung und Ivo ist ein Mitpatient? Wird Rita therapiert oder wird die Ärztin von Rita manipuliert? Ist der freie Mensch frei oder ist derjenige ohne Zwang, dem die Entscheidungen abgenommen werden? Der Roman ist eine Einladung, den Wahrheitsgehalt der erzählten Geschichte infrage zu stellen.
Ana Marwan, 1980 in Murska Sobota/SLO geboren, aufgewachsen in Ljubljana, lebt in Wien. Für ihren Text Wechselkröte/ Krota (übersetzt von Amalija Maček) erhielt sie 2022 den Ingeborg Bachmann Preis. Der Roman Verpuppt, im Original Zabubljena (Ljubljana: Beletrina, 2021), wurde mit dem Kritiško sito 2022 für das beste Buch des Jahres 2021 in Slowenien ausgezeichnet.
Minu Ghedina, geboren 1959 in Klagenfurt, aufgewachsen in Innsbruck. Studierte Germanistik und Schauspiel. Nach mehreren Jahren Arbeit an verschiedenen Theatern und beim Film Studium der Bildhauerei bei Alfred Hrdlicka an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien. Hilde-Zach-Förderstipendium der Stadt Innsbruck 2020 für den Beginn ihres Debütromans Die Korrektur des Horizonts.
Moderation: Maria Piok & Gabriele Wild
Das Glück ist da, wo du nicht bist? Diagnose: Sehnsucht, Krankheit des schmerzlichen Verlangens. Wer will die schon haben? Aber was ist eigentlich das Ziel unserer süchtigen Wünsche? Felicitas Hoppe lädt zu einer Reise durch Räume, Träume und Zeiten ein, auf der sich die Sehnsucht in Longing, der Weltschmerz in Fernweh, die Nostalgia in Neugier und der Wunsch in die Angst vor seiner Erfüllung verwandelt. Dabei tun sich kleine und etwas größere Fragen auf: Was ist der Unterschied zwischen Werbung und Philosophie? Zwischen Verheißung und Erfüllung? Zwischen Genügsamkeit und Selbstoptimierung? Und welche Rolle spielen dabei, zwischen Diesseits und Jenseits, Gott und die Kunst?
Felicitas Hoppe, geboren 1960 in Hameln, lebt in Berlin und Leuk. Sie ist vielfach aufgezeichnete Schriftstellerin, Übersetzerin, Ehrendoktorin der Leuphana Universität Lüneburg, Trägerin des Georg-Büchner-Preises. Ihr Buch Gedankenspiele über die Sehnsucht erschien 2022 im Droschl Verlag.
Präsentation: Maria Piok
Auf Buchfühlung im Gespräch mit Felicitas Hoppe
Moderation: Robert Renk
Diese Veranstaltung wurde vom 28. Februar auf den 2. März 2017 verschoben
Das Floß der Medusa
8. Juli 1816: Vor der Westküste von Afrika entdeckt der Kapitän der Argus ein etwa zwanzig Meter langes Floß, darauf ausgemergelte, nackte Gestalten mit hohlen Augen, verbrannter Haut und Haaren starr vor Salz. Es sind dies die letzten fünfzehn Überlebenden von ursprünglich 147 Menschen, die nach dem Untergang der Fregatte Medusa zwei Wochen lang auf offener See getrieben sind. Das Gemälde Das Floß der Medusa von Théodore Géricault und die historisch belegten Fakten bilden die Folie für Franzobels Roman, der in den Kern des Menschlichen zielt.
Franzobel: Das Floß der Medusa. Zsolnay 2016
Dem Virus zum Trotz: Wir lesen und reden über Literatur. Unsere Veranstaltungen nun in unserer Literaturhaus-hörBar auf Radio-Freirad (105,9 MHz Großraum Innsbruck). Jede Woche, eine ganze Stunde lang. Kein Corona. Aber ganz viele wunderbare Texte.
Carolina Schutti: Patagonien (edition laurin 2020)
Eine Schotterpiste. Ein Dach. Ein Haus. Ein Camp. Fünf Menschen am äußersten Zipfel Patagoniens, wo kein Weg mehr weiter führt. Wer das Ende der Welt sucht: Hier ist es. Im Sommer hell und licht, im Winter vollkommen abgeschnitten von der Zivilisation, gefangen in Schnee und Dunkelheit. Eine Landschaft, in der ein zweites Leben begonnen werden soll. Ein idealer Ort, um die Vergangenheit zu begraben und Neues aufzubauen. Carolina Schutti setzt in „Patagonien“ ihre Figuren am Ende der Welt aus und beobachtet, wie es weiter geht – oder besser: Wie alles endet.
Moderation: Anna Rottensteiner